Interoperabilität im Messwesen: Wie baeren.io Datenströme bündelt und mittelständische Messdienste für neue Services fit macht

Björn Borst vom Würzburger Unternehmen baeren.io stellt im Panel die Frage: „Wie profitiert man als Messdienst von der novellierten Heizkostenverordnung?“ und legt den Fokus auf ein Stichwort, das in der Branche lange als „Zungenbrecher“ galt: Interoperabilität.

Während viele Vorträge direkt auf die Wohnungsunternehmen zielen, adressiert baeren.io im Kern die Messdienstleister, insbesondere mittelständische Anbieter. Die Botschaft: Wer es schafft, Gerätedaten herstellerübergreifend zu nutzen, kann schneller wachsen, neue Serviceerlöse erschließen und den Aufwand mit smarten Zählern reduzieren. Das nutzt auch den Kunden aus der Wohnungswirtschaft.

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Herausforderungen für Messdienstleister

1. Hersteller- und Systembindung im Bestand
Über Jahre waren Liegenschaften oft „Monokulturen“: Wer Heizkostenverteiler und Funkinfrastruktur installiert hatte, lieferte meistens auch die Abrechnung. Wechsel waren aufwendig, weil zunächst physisch getauscht werden musste.

2. Langsame Wechselprozesse
Für mittelständische Messdienste bedeutete das: Neue Kunden zu gewinnen war möglich, aber mit langen Umstellungsphasen verbunden bis alle Altgeräte ersetzt waren.

3. Unterschätzter Wert vorhandener Infrastruktur
Die Digitalisierung im Messwesen bringt bereits Gateways, Funknetze und Cloud-Anbindungen mit sich. Trotzdem werden diese Ressourcen häufig nur für den klassischen Dreiklang Wasser–Wärme–Heizung genutzt, nicht für zusätzliche Strom- oder Energieservices.

4. Datenflut statt Klarheit
Mit tausenden smarten Zählern entstehen große Datenmengen. Ohne strukturiertes Monitoring besteht die Gefahr, dass Ausfälle, Leckagen und Kommunikationsfehler zu spät erkannt werden.

5. Technologische Vielfalt
WM-Bus, LoRaWAN, NB-IoT, LTE-M, Smart-Meter-Gateway, diverse Hersteller – diese Vielfalt erschwert schlanke Betriebsprozesse und erfordert spezialisierte Schnittstellen. Die Folge: zusätzliche Komplexität im Messdienst-Alltag.


Der Ansatz / Die angebotene Lösung

baeren.io stellt drei Themen in den Mittelpunkt: schnelleres Wachstum, neue Service-Erlöse, weniger Aufwand mit smarten Zählern.

1. Schnelleres Wachstum durch Interoperabilität

Die Präsentation zeigt zunächst die „alte Welt“: Funkende Geräte sind an einen Hersteller gebunden, Umstellung bedeutet Gerätetausch und lange Übergangszeiten.

Mit der Interoperabilität der HKVO und passenden Plattformen wird daraus ein Service-getrennt-von-Geräten-Modell:

  • Auf der einen Seite steht der Vermieter der Geräte. Er installiert und wartet Messgeräte (z. B. ein großer Hersteller).
  • Auf der anderen Seite steht der mittelständische Messdienst, der Abrechnung, unterjährige Verbrauchsinformation (uVI) und CO₂-Aufteilung erbringt, auf Basis der Gerätedaten, unabhängig vom Hersteller.

Die Folie „Erst Service – dann Geräte“ illustriert: In einem Objekt können Messgeräte verschiedener Anbieter hängen, während ein Messdienst über baeren.io die Daten einsammelt und zentral abrechnet.

2. Neue Services: Stromdaten, Hauptzähler, Mieterstrom

Im zweiten Block zeigt Borst, wie sich die vorhandene Infrastruktur für zusätzliche Erlöse nutzen lässt:
  • Auslesen von Hauptzählern:
    Über Adapter und Gateways werden auch Strom-Hauptzähler digital angebunden. Der Messdienst kann so die Werte liefern, die bislang oft der Hausmeister abliest.
  • Abrechnung von Mieterstrom:
    In zwei Messkonzepten – mit physischem Summenzähler oder virtuellem Summenzähler über intelligentes Messsystem (iMSys) und Smart-Meter-Gateway – stellt baeren.io die Datenbasis für Mieterstromabrechnung bereit. Die Plattform übernimmt dabei die Rolle des Energieserviceanbieters (ESA) im SMGW-Kontext.

Für die Wohnungswirtschaft kann das bedeuten: Heizkostenabrechnung und Strom-/Mieterstromabrechnung kommen – technisch – aus einem Guss, auch wenn unterschiedliche Zählerwelten im Haus existieren.

3. Weniger Aufwand mit smarten Zählern: Cloud & Monitoring

Der dritte Block adressiert das operative Geschäft:
  • Schritt 1 – Zusammenfassen:
    Eine „Trichter“-Grafik zeigt, wie Zähler unterschiedlichster Hersteller (z. B. Engelmann, QUNDIS, Zenner, Itron, Kamstrup, Landis+Gyr u. v. m.) und Technologien (WM-Bus, LoRaWAN, NB-IoT, iMSys) in einer einzigen Plattform zusammengeführt werden. Daten werden automatisiert in Abrechnungssysteme übergeben.
  • Schritt 2 – Monitoren:
    Dashboards und Berichte markieren fehlerhafte Gateways, Zähler ohne aktuelle Telegramme oder Hinweise auf Leckagen. Ziel ist, gezielt agieren statt reagieren zu können – also Einsätze dort zu planen, wo sie wirklich nötig sind.

baeren.io versteht sich in diesem Modell als Zulieferer im Hintergrund: Connectivity, Gateway-Management, Hosting und optional Summierung: der Messdienst bleibt Vertragspartner der Wohnungswirtschaft und betreibt seine eigenen Abrechnungssysteme weiter.


Warum das wichtig ist

Die novellierte Heizkostenverordnung zwingt Wohnungsunternehmen und Messdienste ohnehin in die Fernauslesung und Digitalisierung. Wenn die Infrastruktur einmal steht, lohnt es sich, sie strategisch zu nutzen:

  • Interoperable Datenflüsse erhöhen den Wettbewerb im Messwesen und erleichtern den Anbieterwechsel.
  • Die Trennung von Gerätestellung und Abrechnung eröffnet Vergabemodelle, in denen Wohnungsunternehmen bewusst verschiedene Rollen ausschreiben können.
  • Strom- und Mieterstromservices lassen sich über vorhandene Gateways integrieren. Das ist ein wichtiger Baustein für sektorübergreifende Energiekonzepte im Bestand.
  • Monitoring reduziert Blindflug und Fehlfahrten im technischen Betrieb und erhöht die Verlässlichkeit der Abrechnungsdaten.

Einordnung für die Wohnungswirtschaft

Auch wenn der Vortrag sich primär an Messdienstleister richtet, hat er klare Implikationen für die Wohnungswirtschaft:

Mehr Wahlfreiheit

  • Interoperable Plattformen reduzieren die Abhängigkeit von einzelnen Geräteherstellern.
  • Wohnungsunternehmen können Dienstleister leichter wechseln oder Dienste neu kombinieren (z. B. Submetering bei A, Abrechnung bei B).

Bessere Nutzung bestehender Technik

  • Wo bereits Gateways und Funkinfrastruktur vorhanden sind, können zusätzliche Services wie Hauptzähler-Fernauslesung oder Mieterstromabrechnung aufgesetzt werden – ohne weitere „Kisten im Keller“.

Transparenz & Governance

  • Monitoring-Funktionen helfen, SLA-konforme Datenlieferung und Ansprechbarkeit bei Störungen einzufordern.
  • Gleichzeitig entstehen neue Anforderungen an Datenschutz, Datensicherheit und Rollenverteilung (z. B. ESA im Smart-Meter-Gateway-Umfeld).

Risiken / offene Punkte

  • Mehr Schnittstellen bedeuten auch mehr Koordinationsbedarf: Wer ist wofür verantwortlich, wenn Daten fehlen oder fehlerhaft sind?
  • Cloudbasierte Lösungen erfordern klare Regelungen zu Datenhoheit, Aufbewahrung und Zugriff.
  • Für kleinere Wohnungsunternehmen kann die Vielfalt an Rollen und Optionen zunächst unübersichtlich wirken, hier braucht es klare Lastenhefte und Beratung.

Was jetzt zu tun ist

  1. Status quo im Messwesen klären
    • Wie interoperabel sind die heute eingesetzten Geräte und Systeme?
    • Welche Rechte an den Messdaten sind vertraglich gesichert?
  2. Vergabestrategie überdenken
    • Muss alles „aus einer Hand“ kommen oder können Gerätestellung, Datenbereitstellung und Abrechnung getrennt vergeben werden?
  3. Messdienst gezielt nach Interoperabilität fragen
    • Welche Hersteller und Funktechnologien kann der Dienstleister heute schon in einer Plattform bündeln?
    • Nutzt er selbst oder über Partner Lösungen wie baeren.io für Gerätehersteller-übergreifendes Metering?
  4. Zusatzservices definieren
    • Bedarf für Hauptzähler-Fernauslesung, Mieterstromabrechnung oder Strommonitoring prüfen.
    • Im Lastenheft festhalten, dass vorhandene Infrastruktur genutzt werden soll.
  5. Monitoring-Anforderungen formulieren
    • Welche Kennzahlen und Alarmierungen werden erwartet (Offline-Gateways, Leckage, Datenlücken)?
    • Wie werden diese Informationen in die eigenen Prozesse integriert (z. B. Ticketsystem, Meldung an Hausmeisterdienst)?
  6. Pilotliegenschaft auswählen
    • Eine Liegenschaft mit gemischtem Gerätepark eignet sich, um Interoperabilität und Cloud-Monitoring praktisch zu testen, bevor größere Umstellungen erfolgen.

Praxisnutzen / Beispiele aus Vortrag und Präsentation

  • In den Beispiel-Screenshots zeigt baeren.io, wie Zählerdaten unterschiedlicher Hersteller in einer Benutzeroberfläche zusammenlaufen inklusive Exportfunktionen und Statusanzeige.
  • Ein weiteres Beispiel demonstriert, wie Messdienste neben Heiz- und Wasserzählern auch Stromhauptzähler über dieselbe Infrastruktur auslesen können, statt manuelle Ablesungen zu organisieren.
  • Das Monitoring-Dashboard markiert auffällige Gateways und Zähler; Messdienste können so mit begrenzten Ressourcen gezielt in den Bestand gehen.

Für Wohnungsunternehmen bedeutet das: Ein Messdienst, der solche Werkzeuge nutzt, kann schneller auf Störungen reagieren, Datenlücken reduzieren und zusätzliche Services anbieten, ohne dass jedes Mal neue Technik montiert werden muss.

Der Vortrag von Björn Borst zeigt, wie sich die Logik im Messwesen verschiebt: Weg von geschlossenen Herstellerwelten, hin zu interoperablen Plattformen, die Gerätedaten für verschiedene Dienste nutzbar machen.

Für die Wohnungswirtschaft ist entscheidend, diese Entwicklung aktiv zu nutzen: Wer Interoperabilität und Monitoring in Ausschreibungen und Verträgen verankert, erhält mehr Flexibilität bei Dienstleistern, kann vorhandene Infrastruktur besser ausschöpfen und schafft die Basis für zusätzliche Energiedienstleistungen, von Mieterstrom bis hin zu integriertem Strom- und Wärmemonitoring.


Das Wichtigste auf einen Blick

  • Ausgangspunkt ist die novellierte Heizkostenverordnung (HKVO): Funkende Messgeräte, fernauslesbar, monatliche Verbrauchsinformation.
  • baeren.io adressiert primär mittelständische Messdienstleister mit einer Plattform, die Gerätedaten verschiedener Hersteller interoperabel nutzbar macht.
  • Ziel ist, Services von Geräten zu entkoppeln: Ein Anbieter stellt und wartet die Geräte, ein anderer erstellt Abrechnung, uVI, CO₂-Aufteilung etc.
  • Über dieselbe Infrastruktur können zusätzlich Stromdaten (z. B. Hauptzähler, Mieterstrom) erfasst und abgerechnet werden.
  • Eine Cloud-Metering-Plattform führt Zähler aller Hersteller, Technologien und Funkstandards zusammen und speist sie automatisiert in Abrechnungssysteme ein.
  • Ein Monitoring-Modul erkennt Anomalien und Störungen (Gateways offline, Leckage, fehlende Zählertelegramme), sodass Messdienste gezielt handeln können.
  • Für Wohnungsunternehmen heißt das: mehr Wettbewerb und Wahlfreiheit im Messwesen, zusätzliche Services ohne kompletten Gerätetausch, vorausgesetzt, der eigene Messdienst nutzt solche Plattformansätze.

Glossar

  • Interoperabilität
    Fähigkeit verschiedener Systeme, Geräte und Hersteller, nahtlos zusammenzuarbeiten, im Messwesen insbesondere über standardisierte Funkprotokolle und Datenformate.
  • Novellierte Heizkostenverordnung (HKVO)
    Regelt u. a. den Einsatz fernablesbarer Messgeräte und die unterjährige Verbrauchsinformation; bildet den regulatorischen Rahmen für viele Digitalisierungsprojekte im Submetering.
  • Summenzähler (physisch / virtuell)
    Messkonzept, bei dem ein physischer Zähler oder eine rechnerische Summenbildung (z. B. über iMSys + SMGW) den gesamten Stromfluss erfasst: Grundlage u. a. für Mieterstromabrechnungen.
  • iMSys (intelligentes Messsystem)
    Kombination aus digitalem Stromzähler und Smart-Meter-Gateway, die Messdaten sicher überträgt und zusätzliche Marktrollen (z. B. ESA) ermöglicht.
  • Smart-Meter-Gateway (SMGW)
    Kommunikationszentrale im intelligenten Messsystem; bündelt Messwerte und stellt sie berechtigten Marktteilnehmern zur Verfügung.
  • Energieserviceanbieter-Rolle (ESA)
    Marktrolle im SMGW-Umfeld, die auf Basis von Messdaten energienahe Dienstleistungen erbringen darf – baeren.io übernimmt diese Rolle in seinem Mieterstrom-Konzept.
  • Cloud-Metering
    Zentrale, cloudbasierte Erfassung, Speicherung und Weiterleitung von Messdaten verschiedenster Zähler und Gateways.
  • Monitoring / Anomalieerkennung
    Laufende Überwachung von Datenströmen, um Abweichungen, Ausfälle oder Leckagen frühzeitig zu erkennen und gezielt zu beheben.

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Autor: Redaktion Wohnungswirtschaft Heute – HEIKOM-Sonderausgabe 2025

Foto: DEUMESS – Frank Schütze / Fotografie Kranert

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