Dr. Franz Christange skizziert in seinem Vortrag „Die Zukunft der Abrechnung“ den Wandel im Messdienstgeschäft: weg von lokal installierter, gewachsener Software hin zu einer Cloud-basierten Plattform, die die gesamte Prozesskette automatisiert und alle Beteiligten auf einen konsistenten Datenbestand zugreifen lässt.
Während andere Beiträge des Panels stark auf Heizungsoptimierung und Energiemanagement fokussieren, adressiert arasys die Frage: Wie lassen sich diese Daten später effizient, sicher und rechtssicher in Abrechnung und Informationspflichten übersetzen?
Herausforderungen im heutigen Abrechnungsgeschäft
1. Medienbrüche zwischen den Akteuren
- Monteure arbeiten mit eigenen Apps, Hausverwaltungen mit separaten Portalen, Messdienste mit On-Premise-Systemen.
- Daten werden importiert, exportiert, konvertiert – jede Schnittstelle ist eine potenzielle Fehlerquelle.
2. Heterogene Alt-Systeme
- Viele Abrechnungskerne basieren auf 20–25 Jahre altem Code.
- Neue Anforderungen (HKVO, uVI, Mieterstrom, E-Mobilität) lassen sich zwar ergänzen, aber oft nur mit hohem Entwicklungsaufwand.
3. Manuelle Prozessschritte
- Zählermontage, Gateway-Inbetriebnahme, Empfangskontrolle, Fehlermeldungen, Plausibilisierung und uVI-Erstellung erfordern häufig manuelle Eingriffe.
- Das begrenzt Skalierbarkeit und erschwert eine verlässliche Qualitätssicherung.
4. IT-Sicherheits- und Datenschutzdruck
- Cloud-Anbindungen, Funkinfrastrukturen und Portale erhöhen die Angriffsfläche.
- Ältere Architekturen sind schwerer gegen aktuelle Bedrohungen abzusichern.
5. Fachkräftemangel
- Moderne Entwickler:innen zu gewinnen ist mit alten Technologiestacks schwierig – was wiederum Weiterentwicklung und Wartung verteuert.
Der Ansatz / Die angebotene Lösung
1. Microservice-Cloud-Architektur als Datenhub
Auf einer zentralen Folie beschreibt Christange den neuen Ansatz: arasys Rechenkern und Datahub stehen in der Mitte, darum gruppieren sich araWeb, araHK4, Montage-App, Lager-App, Gateways, Dienstleister-Schnittstellen und digitale Liegenschaftsdaten.
- Alle Komponenten greifen auf denselben Datenbestand zu.
- REST-Schnittstellen ermöglichen standardisierten Datentausch mit externen Systemen (z. B. ERP, Portale, Energiemanagement).
- Ziel ist, Systembrüche zwischen Messdienst, Hausverwaltung, Monteuren und Mieterportalen zu vermeiden.
2. Vollautomatisierte Prozesskette
Eine Prozessgrafik zeigt den Weg von der Zählermontage bis zum uVI-Portal:
- Zählermontage mit App
- Heizkörperbewertung in der Montage-App,
- Scannen der Zähler (z. B. per Barcode),
- Inbetriebnahme des Gateways.
- Gateway-Inbetriebnahme und Empfangsprüfung
- Die App prüft vor Ort, ob alle Geräte funken und am Gateway ankommen.
- Monteur kann den Einsatz abschließen, ohne später erneut anfahren zu müssen.
- Ablesewertübertragung und Entschlüsselung
- Funkwerte laufen automatisiert in der Cloud ein, werden entschlüsselt und in Standardformate überführt.
- Automatisierte Plausibilisierung
- Fehlermeldungen (z. B. Funkstörung, Öffnungserkennung) werden maschinell ausgewertet.
- Messdienste erhalten Hinweise, wo Störungen vorliegen und wie zu reagieren ist.
- uVI-Erstellung und Mieterportal
- Unterjährige Verbrauchsinformationen werden automatisch generiert und über Portale bereitgestellt.
Zielbild von Christange: Abrechnungen sollen mittelfristig ohne menschlichen Eingriff erstellt werden können, selbst bei komplexen Liegenschaften mit mehreren Erzeugungsanlagen und verschachtelten Messkonzepten. Die Rolle des Menschen verlagert sich hin zu Konzeption, Kontrolle und Ausnahmefällen.
3. HK4 als neuer Abrechnungskern
- HK3 war über 20 Jahre im Masseneinsatz.
- HK4 ist seit 2022 im schrittweisen Praxiseinsatz; der vollständige Umstieg soll bis 2026 erfolgen.
- Der neue Kern ist komplett in moderner Programmiersprache umgesetzt – ohne Altcode.
Damit soll die Basis gelegt werden für:
- schnellere Umsetzung gesetzlicher Änderungen,
- bessere Performance bei großen Datenmengen,
- flexiblere Abbildung neuer Geschäftsmodelle (z. B. Mieterstrom, E-Mobilität).
4. „Soft Facts“ als Teil des Gesamtpakets
Eine eigene Folie hebt Themen jenseits des Codes hervor:
- IT-Sicherheit als Kernanforderung – mit eigenem Sicherheitsteam, das auf moderner Architektur aufsetzt.
- Datenschutz und intuitive Bedienbarkeit.
- Mieterstrom und E-Mobilität „in konkreter Vorbereitung“ – die Plattform soll diese Themen mit abbilden können.
- Schulungskonzepte und ein starkes Team mit eigener Messdienst-Erfahrung.
5. Einbindung in die EAD-/ERD-Gruppe
Die Abrechnungssoftware wird auch von der ERD-Gruppe, einem Verbund von rund 40 Messdiensten in Deutschland und Österreich, eingesetzt.
- Messdienste können als Verbundpartner ihre eigene Marke behalten oder unter einem gemeinsamen Markenauftritt agieren.
- Ergänzend bietet die Gruppe Einkaufskonditionen, Unterstützung bei Lieferanten- und Gerätethemen, Verbandsarbeit (u. a. bved, OMS, DIN, VDI, Deumess) und Fortbildungsangebote.
Warum das wichtig ist
Für Wohnungsunternehmen ist die Wahl der Messdienstsoftware selten eine direkte Entscheidung – sie wirkt aber mittelbar auf viele Prozesse:
- Datenqualität und Geschwindigkeit in der Abrechnung,
- Zuverlässigkeit der uVI und anderer Informationspflichten,
- Fähigkeit, neue Produkte wie Mieterstrom oder E-Mobilitätsabrechnung sauber abzubilden,
- Integrationsfähigkeit mit eigenen ERP-, CAFM- oder Energiemanagementsystemen.
Eine moderne, Cloud-basierte Plattform mit durchgängigen Prozessen kann hier helfen, Fehlerquoten zu senken, Durchlaufzeiten zu verkürzen und Transparenz zu erhöhen – vorausgesetzt, der Messdienst nutzt diese Möglichkeiten konsequent.
Einordnung für die Wohnungswirtschaft / Entscheider:innen
Was bedeutet der Ansatz von arasys für Sie – indirekt?
- Messdienste, die auf solche Plattformen setzen, können größere Datenmengen und komplexere Anlagenstrukturen (z. B. mit PV, Wärmepumpe, Mieterstrom) effizienter abrechnen.
- Medienbrüche zwischen Monteuren, Hausverwaltung und Mietern werden reduziert – Reklamationen lassen sich schneller nachverfolgen, weil Datenwege klar dokumentiert sind.
- IT-Sicherheits- und Datenschutzkonzepte hängen nicht nur am Messdienst selbst, sondern auch an der eingesetzten Software; moderne Architekturen erleichtern Audit und Compliance.
Fragen, die Sie Ihren Messdiensten stellen können
- Welche Architektur setzt der Messdienst ein – Cloud, Microservices, zentrale Datenhaltung?
- Wie werden Montage, Gateway-Betrieb, Funkdatenerfassung, Plausibilisierung und uVI heute konkret abgewickelt?
- Gibt es Monitoring für Funk- und Gateway-Störungen – und wie werden Sie darüber informiert?
- Wie gut lässt sich die Abrechnungsplattform mit Ihren eigenen Systemen (ERP, DMS, Portale) koppeln?

Was jetzt zu tun ist
Checkliste für Wohnungsunternehmen und Verwalter:innen
- Abrechnungsprozesse gemeinsam mit Messdiensten durchleuchten
- Wo entstehen Verzögerungen oder Medienbrüche?
- Wie viele manuelle Schritte sind noch nötig, bis eine Abrechnung beim Mieter ankommt?
- Digitalstrategie mit dem Messdienst abgleichen
- Passt die geplante Roadmap (z. B. HK4-Rollout bis 2026) zu Ihren eigenen Digitalisierungsplänen?
- Schnittstellenanforderungen formulieren
- Welche Daten wollen Sie standardisiert aus der Abrechnung zurückgespielt bekommen (z. B. für ESG, CO₂-Reporting, Portale)?
- Pilotprojekte vereinbaren
- Testweise eine Liegenschaft mit vielen Funkzählern und uVI-Anforderungen durchgängig über die neue Prozesskette laufen lassen – inklusive uVI-Portal.
- IT-Sicherheit und Datenschutz bewerten
- Sich vom Messdienst das Sicherheitskonzept zur eingesetzten Plattform erläutern lassen (Zugriffsrechte, Verschlüsselung, Hosting-Standort, Backup-Strategie).
Der Vortrag von Dr. Franz Christange zeigt deutlich: Auch im vermeintlich „klassischen“ Bereich Abrechnung vollzieht sich ein Technologiesprung. Microservice-Cloud-Architekturen, zentrale Datenhubs und konsequent durchautomatisierte Prozesse sind nicht Selbstzweck, sondern eine Antwort auf steigende Komplexität, Fachkräftemangel und wachsende Anforderungen an Geschwindigkeit, Transparenz und IT-Sicherheit.
Für die Wohnungswirtschaft lohnt es sich, diese Entwicklung im Blick zu behalten – und in der Zusammenarbeit mit Messdiensten gezielt danach zu fragen, wie digital und automatisiert die Abrechnungsprozesse heute bereits sind. Denn am Ende hängt die Akzeptanz vieler Dekarbonisierungsprojekte auch davon ab, wie verlässlich und verständlich die Abrechnungen bei Mieterinnen und Mietern ankommen.
Das Wichtigste auf einen Blick
- arasys versteht sich als etablierter Softwarehersteller für Messdienste – mit rund 1 Mio. Abrechnungen pro Jahr, die über die Systeme der Kunden laufen.
- Kern der neuen Generation ist eine Microservice-Cloud-Architektur mit einem zentralen Datenhub: Hausverwaltungen, Monteure, Gateways, Portale und Abrechnung greifen auf denselben Datenbestand zu – ohne Ex- und Importe.
- Zielbild: durchgängig automatisierte Prozesse von der Zählermontage über Gateway-Inbetriebnahme, Datenübertragung und Plausibilisierung bis zur uVI-Erstellung und zum Mieterportal.
- Die neue Abrechnungssoftware araHK4 wird seit 2022 schrittweise eingeführt; bis 2026 soll der Umstieg von HK3 auf HK4 abgeschlossen sein.
- IT-Sicherheit, Datenschutz, Mieterstrom- und E-Mobilitätsfunktionen sowie Schulungsangebote werden als integrale Bestandteile der Plattform verstanden.
- Über die EAD-/ERD-Gruppe sind rund 40 Messdienste angebunden – die Wohnungswirtschaft kann also indirekt von der Plattform profitieren, ohne selbst Softwarebetreiber zu sein.
Glossar
- Microservice-Architektur
Software-Architektur, bei der Funktionen in viele kleine, spezialisierte Dienste zerlegt werden, die unabhängig voneinander entwickelt, betrieben und skaliert werden können. - Datahub / Rechenkern
Zentrale Komponente, in der alle relevanten Mess- und Stammdaten zusammenlaufen und verarbeitet werden – Grundlage für Abrechnung, uVI und Auswertungen. - uVI (unterjährige Verbrauchsinformation)
Nach HKVO verpflichtende, regelmäßige Information an Mieter:innen über ihren aktuellen Heiz- und Warmwasserverbrauch – oft über Portale oder Apps bereitgestellt. - HK3 / HK4
Generationen des arasys-Abrechnungskerns: HK3 (über 20 Jahre im Einsatz), HK4 (seit 2022 im Praxiseinsatz, vollständiger Umstieg bis 2026 geplant). - EAD-/ERD-Gruppe
Verbund von Messdiensten, die u. a. die arasys-Software nutzen und gemeinsam Einkauf, Gerätemanagement, Interessenvertretung und Schulungsangebote organisieren.
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Autor: Redaktion Wohnungswirtschaft Heute – HEIKOM-Sonderausgabe 2025
Fotos: DEUMESS – Frank Schütze / Fotografie Kranert



