Von Andreas Breitner
Am 12. Oktober werden viele Menschen in Norddeutschland auf Hamburg schauen. Die Hamburgerinnen und Hamburger entscheiden an diesem Tag in einem Volksentscheid, ob die Hansestadt Klimaneutralität bereits im Jahr 2040 – also fünf Jahre früher als bislang vom Senat geplant – erreichen soll.
Die Europäische Union hat sich mit dem „Europäischen Green Deal“ und dem EU-Klimagesetz verpflichtet, Netto-Null-Treibhausgasemissionen sogar erst bis zum Jahr 2050 zu erreichen. Klimaneutralität bedeutet, dass nicht mehr klimaschädliche Gase ausgestoßen werden, als durch Maßnahmen wie Aufforstung oder Technologien gebunden werden können.
Der Schutz unserer Umwelt ist zweifelsohne eine der großen Herausforderungen dieser Zeit. Soziale Vermieter, die in Jahrzehnten statt in Wahlperioden denken, gehören seit vielen Jahren zu jenen, die mit Hilfe aufwändiger energetischer Sanierungen ihre Bestände zukunftsfest machen.
Sie tun das stets mit dem Blick darauf, das Notwendige mit dem Machbaren zu verbinden. Machbarkeit bedeutet bei VNW-Unternehmen in erster Linie, Investitionsentscheidungen im Lichte der Bezahlbarkeit von Wohnungen zu treffen. Das heißt auch: Was Mietpreise unnötig in die Höhe treibt, wird nicht gemacht. So einfach ist das.
Das Hannoveraner Pestel Institut hat nun in einer Studie bestätigt, was wissenschaftliche Studien bereits seit mehreren Jahren postulieren: ein großer Teil der Wohngebäude in Hamburg wird energetisch saniert werden müssen, wenn sie bis zum Jahr 2045 klimaneutral sein sollen.
Das Pestel-Institut beziffert die Investitionen für die Sanierung von 700.000 Wohnungen mit rund 54 Milliarden Euro. Das deckt sich mit Ergebnissen der vor einigen Jahren vorgestellten acht Studien, wonach mindestens – und das war als absolute Untergrenze zu verstehen – 40 Milliarden Euro notwendig sind.
40 Milliarden Euro bei 700.000 Wohnungen – das sind rund 57.000 Euro für jede Wohnung, die zusätzlich zu Instandhaltung und Modernisierung aufgewendet werden müssen. Das in 20 Jahren zu schaffen, ist schon kein Pappenstiel. Die Verkürzung der Zeitspanne auf 15 Jahre dürfte Grenze des Machbaren überschreiten.
Ich will jetzt gar nicht fragen, woher die vielen Handwerker, Planer und Ingenieure kommen sollen, um die Aufgabe zu meistern. Zumal wir tagtäglich erleben (müssen), wie schwer Politik und Behörden sich mit dem Abbau von bürokratischen Regelungen tun.
Man muss nicht Mathematik studiert haben, um zu erkennen, dass ein Aufbringen von 54 Milliarden Euro innerhalb von 15 statt von 20 Jahren einen erheblichen Anstieg von Mieten voraussetzt. Am Gemeinwohl orientierte Vermieter haben keinen Rücklagen, die dafür zur Verfügung stünden.
Wenn der Hamburger Mieterverein fast schon schadenfroh darauf hinweist, dass (energetische) Sanierungskosten innerhalb von sechs Jahren lediglich in Höhe von zwei bzw. drei Euro pro Quadratmeter umgelegt werden dürfen, stellt sich natürlich die Frage: Wer soll das zusätzliche Geld aufbringen?
Um die Dimension der „Lücke“ deutlich zu machen, hier ein Rechenbeispiel. Die mittlere Wohnfläche je Wohnung liegt in Hamburg derzeit bei 76,4 Quadratmetern. Wenn im Durchschnitt pro Quadratmeter maximal 2,50 Euro pro Monat umgelegt werden dürfen und das zwölf Mal im Jahr, kommen innerhalb von 15 Jahren bei 700.000 Wohnungen rund 24,1 Milliarden Euro zusammen.
Die Kosten liegen aber mindestens bei 40 Milliarden, laut Pestel sogar bei 54 Milliarden Euro. Woher also sollen die fehlenden 30 Milliarden Euro kommen? Aus dem Hamburger Haushalt? Sicher nicht. Für das Jahr 2025 plant die Hansestadt Ausgaben in Höhe von 21,4 Milliarden Euro – wobei die meisten Ausgaben gesetzlich festgelegt sind, beispielsweise für Bildung und Soziales.
Dann also die Wohnungswirtschaft? Wie schon gesagt: am Gemeinwohl orientierte Vermieter wirtschaften so, dass sie mit den Mieteinahmen ihre Kosten decken. Riesige Rücklagen bilden gehört nicht zu ihrem Auftrag, und Wohnungen teuer zu verkaufen, verbietet sich ebenfalls. Also noch mal die Frage: Woher sollen die fehlenden 30 Milliarden Euro kommen?
Interessant wird das Rechenbeispiel, wenn man die Zeitschiene verlängert. Klimaneutralität im Jahr 2045 würde dann „Einnahmen“ für eine energetische Sanierung in Höhe von 32,1 Milliarden Euro bedeuten. Setzt man den Zeitpunkt auf 2050, kämen 40,1 Milliarden Euro zusammen.
Mit anderen Worten: Je weniger Zeit ich habe, Klimaneutralität zu erreichen, desto mehr Geld muss ich am Anfang ausgeben – und um so mehr muss ich die Mieten erhöhen.
Nun kann man einwenden: „Ja aber, wir tun ja etwas für den Klimaschutz!“. Der Anteil Deutschlands am weltweiten CO2-Ausstoß liegt bei 1,8 Prozent. Der Anteil von Hamburg, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern dürfte da kaum ins Gewicht fallen.
Andreas Breitner
Vorstand und Verbandsdirektor Verband norddeutscher Wohnungsunternehmen (VNW)