Klimafit und kosteneffizient

Wolfgang Wahlmüller, Generaldirektor des ÖSW, verrät im exklusiven Interview einiges über ambitionierte Pilotprojekte bei der Energieversorgung von Wohnbauten, die Herausforderungen bei der Sanierung des Altbestands und die Prognosen für die kommenden Jahre.
MAIK NOVOTNY

Sie sind seit 2005 Vorstandsmitglied und seit 2023 gemeinsam mit Markus Fichta Generaldirektor des ÖSW. Was bleibt gleich, was ändert sich?

Es war ein sehr fließender und unkomplizierter Übergang, denn wir waren schon lange ein eingespieltes Team. Wir waren seit Ende 2019 zu dritt im Vorstand und jetzt eben zu zweit. Ein besonderer Schwerpunkt liegt sicher auf Transformations- und Modernisierungsprozessen in den Bereichen Klimaeffizienz, Nachhaltigkeit, Digitalisierung und Innovation.

Wolfgang Wahlmüller
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Beginnen wir mit der Digitalisierung: Welche Ziele haben Sie sich hier gesetzt?

Ganz einfach: Die internen Prozesse so zu optimieren, dass sich unsere Kund:innen wohlfühlen, und eine digitale Kommunikation nach außen auf hohem Niveau. Das bedeutet nicht, dass unsere Hausverwaltung nicht mehr persönlich mit den Bewohner:innen spricht, denn aufgrund der demografischen Entwicklung in Richtung Alter sind viele von ihnen über eine App gar nicht erreichbar. Wir werden also alle Ebenen der Kommunikation bedienen.

Wolfgang Wahlmüller
Mag. Wolfgang Wahlmüller hat BWL an der WU Wien studiert und ist seit Herbst 2023 Generaldirektor des ÖSW-Konzerns. Wahlmüller war seit 2005 Vorstandsmitglied der ÖSW AG. Neben der Leitung des Baumanagements, der Personalabteilung und des Bereichs Marketing- und PR leitet er die Bereiche Treasury & Finances sowie Konzernrechnungswesen.

Das ÖSW ist in mehreren Bundesländern aktiv. Wird es hier neue Schwerpunktsetzungen geben?

Wir sind operativ hauptsächlich in Wien tätig. Über die Konzerngesellschaften in Kärnten, in Salzburg, in Niederösterreich und Oberösterreich haben wir eigenständige Tochtergesellschaften mit eigenständigem Personal, in eigenständiger Verantwortung und eigenständiger Entscheidung. Die Aktivitäten und Projekte werden natürlich von mehreren bundesländerspezifischen Faktoren beeinflusst.

Einer davon ist die Finanzierung und die Situation bei der Wohnbauförderung, ein anderer die Verfügbarkeit von Grundstücken. Studien zufolge wird die Verstädterung Österreichs in den nächsten Jahrzehnten weiter zunehmen und dementsprechend orientieren wir uns auch langfristig.

Wolfgang Wahlmüller

Das ÖSW verfügt über rund 70.000 Wohnungen. Welche Rolle spielt die Sanierung des Bestands für Sie heute?

Services rund um die Immobilie mit Instandhaltung, Modernisierung und Sanierung sind eines unserer schwerpunktmäßigen Geschäftsfelder. Deshalb engagieren wir uns auch immer mehr im Bereich energieeffizienter Ertüchtigung von Gebäuden, etwa durch die Implementierung von Photovoltaikanlagen im Bestand. Mit unserem Tochterunternehmen immo 360 grad gmbh haben wir eine eigene Sanierungsabteilung mit Expert:innen für moderne Sanierungslösungen und Photovoltaikanlagen.

Parallel sind wir mit unserem Innovationsmanagement in diversen Forschungsprojekten aktiv, die etwa sozial- und kostenverträgliche „klimafitte“ Sanierung im bewohnten Zustand untersuchen. Schon mit kleinen Maßnahmen kann man hier sehr viel erreichen.

Wolfgang Wahlmüller
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Welche Forschungsprojekte sind das konkret?

Ganz stolz bin ich auf unser Pilotprojekt RUGInnovation in der Rugierstraße in Wien-Donaustadt, bei dem wir demonstrieren wollen, wie eine umfassende klimafitte thermische Sanierung im bewohnten Zustand sozial- und kostenverträglich realisiert werden kann. Hier arbeiten wir im Team mit der FH Technikum, dem Österreichischen Institut für Bauen und Ökologie (IBO), dem Ingenieurbüro Käferhaus und wohnbund:consult.

Wir sind noch am Anfang, aber es zeichnet sich schon ab, dass sich durch die Sanierung die Betriebskosten um rund 50 Prozent reduzieren werden. Bei solchen Projekten sind wir wahnsinnig gerne dabei, weil wir unser Know-how einbringen können und gleichzeitig viel dazulernen.

Wolfgang Wahlmüller

Die Sanierung im bewohnten Zustand ist – Stichwort „Raus aus Gas“ – derzeit eine große Herausforderung für alle. Oft wird dabei das Miet- und Eigentumsrecht als Hürde gesehen. Was ist Ihre Einschätzung?

Dort, wo wir Alleineigentümer sind, sind wir natürlich stark daran interessiert, unsere Gebäude zukunftsfit zu halten, und das funktioniert auch sehr gut. Bei den Neubauten streben wir an, energieautark zu sein, aber der große Hebel bei der Dekarbonisierung liegt zweifellos im Altbestand. Das wird in der Tat eine Herausforderung, weil die Kosten der Umrüstungen immens sind. Es gibt Pilotprojekte, die darauf basieren, dass man eine Therme gegen eine Wärmepumpe auswechselt, was den Vorteil hat, dass beides am Wasser hängt.

Dann ist noch zu klären, wie man klimaneutralen Strom für die Wärmepumpe bekommt. Aber es wird natürlich nicht wenige Bewohner:innen geben, die ihre Gasheizung behalten wollen, da müssen wir alle Überzeugungsarbeit leisten. Wir gehen hier mit eigenem Beispiel voran: Der Umbau unserer Konzernzentrale zum Kraftwerk im Jahr 2020 war ein Meilenstein.

Wolfgang Wahlmüller

Inwiefern?

Unser Ziel war es, den täglichen Stromverbrauch durch eine Photovoltaikanlage und einen Batteriespeicher vor Ort zu decken und so den CO₂-Ausstoß nachhaltig zu reduzieren. So konnte der Energiebezug über das externe Netz wefür das Gebäude mit Arbeitsplätzen für rund 150 Mitarbeiter:innen auf ein Minimum reduziert werden. Der erzeugte Solarstrom entspricht im Optimalfall – sprich bei Sonnenschein – gut dem Doppelten des täglichen Energiebedarfs der Konzernzentrale. Praktischerweise haben wir den direkten Vergleich der Kosten zum Nachbargebäude, das ebenfalls in unserem Besitz ist und klassisch mit Fernwärme operiert. Aus dieser Analyse holen wir uns Rückschlüsse für unsere Wohngebäude, was die alternative Wärme- und Kühlversorgung betrifft. Ein weiteres Pilotprojekt ist die bis zu 8,8 MWp und rund zehn Hektar große Agrivoltaikanlage, die wir in Pichling bei Linz planen.

Diese hat den Vorteil, dass dadurch kein Ackerland versiegelt wird, weil die Landwirtschaft unter den Paneelen weiter betrieben werden kann. Ziel ist es, dass die Anlage zukünftig unsere Wohnanlagen mit nachhaltig gewonnenem Strom versorgen kann. Dass wir den Strom, den wir erzeugen, den Menschen ausfallsicher und zu einer Top-Kondition anbieten können, ist ein ganz wesentlicher Punkt für die Zukunft. Denn beim Ziel der Dekarbonisierung bis 2040 haben sich diejenigen, die dieses Ziel gesetzt haben, noch nicht genau überlegt, wer das Ganze zahlen soll. Die Bewohner:innen werden es jedenfalls nicht sein.

Wolfgang Wahlmüller

Apropos zahlen: Die hohen Baupreise und die veränderte Zinslandschaft beschäftigen derzeit alle Wohnbauträger. Wie geht man beim ÖSW damit um?

Die hohen Zinssätze und Baupreise wirken sich auf die Bauinvestitionen der gemeinnützigen Wohnbauträger aus – Expert:innen erwarten für die nächsten Jahre einen Rückgang bei gefördertem Wohnraum von mehr als 20 Prozent. Das wird deutlich spürbar werden. Ein weiterer kritischer Faktor ist die KIM-Verordnung, durch die der Eigentumsmarkt in Österreich massiv zurückgegangen ist. Wir als ÖSWKonzern wollen das geringere Bauvolumen soweit es geht kompensieren, um auch weiterhin leistbaren Wohnraum zur Verfügung stellen zu können. Die Baupreise waren voriges Jahr auf einem Level, bei dem wir weniger Aufträge als bisher herausgeben konnten.

Inzwischen hat sich das zwar wieder nivelliert, aber in Kombination mit langwierigen Bauverfahren kommt es hier zu einem Ausbremsen der Bautätigkeit, die sich in zwei, drei Jahren in den Mieten zeigen wird. Daher sehen wir als wesentlichen Hebel die Verkürzung, Beschleunigung und Vereinfachung der Verfahrensdauer bei Baubewilligungen, wie sie von den Gemeinnützigen insgesamt gefordert wird. Wir schauen uns ganz genau an, wo wir in die Liegenschaftsbevorratung gehen, wo wir Projekte umsetzen können, und da spielt die Dauer der Widmungsverfahren eine wichtige Rolle.

Wolfgang Wahlmüller

Widmen wir uns zum Abschluss einem weniger kritischen Thema: Heuer feiert das ÖSW sein 75-jähriges Bestehen. Sind besondere Feierlichkeiten geplant?

Wir haben einiges vor. Für unsere Bewohner:innen, für unsere Mitarbeiter: innen und für unsere Partner:innen. Auf jeden Fall wird es ein schönes Geburtstagsfest hier in Wien geben.

Wolfgang Wahlmüller

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