Mit Anspruch und Foachtl

Wie es gelingt, einen Familienbetrieb in die Zukunft zu führen, und warum Möbel für Senior:innen ein attraktives Thema sind, erzählt Sophie Wittmann, Geschäftsführerin des Möbelproduzenten Trewit.
FRANZISKA LEEB

Sie wollte nichts wie weg, raus aus dem beschaulichen Almtal in die große weite Welt, erzählt Sophie Wittmann. Das mit einem Pflichtpraktikum im Ausland verbundene Fachhochschul- Studium in Unternehmensführung in Wien sollte der Ausgangspunkt für ein Berufsleben mit hoher Reisetätigkeit im urbanen Raum sein.

- Anzeige -

Ein Auslandssemester in Südkorea und ein Praktikum in China „haben mir total getaugt“, brachten jedoch die Erkenntnis, dass die „Wertschöpfungsketten, wie sie dort üblich sind, nicht nachhaltig sein können und allem widersprechen, womit ich aufgewachsen bin“. Aufgewachsen ist sie mit der seit Generationen von der Familie geführten Tischlerei Wittmann in Scharnstein. Gegründet 1879 als kleine Wagnerei, 1960 kam ganz dem Zeitgeist gemäß mit dem Karosseriebau eine neue Sparte hinzu, ehe man sich auf Massivholzmöbel in Klein- und Mittelserien spezialisierte.

Heute heißt das Unternehmen Trewit und kassiert Designpreise. Sophie Wittmann leitet es seit 2020 mit ihrem Bruder Max, der jüngere Bruder Rudolf ist auch im Team. Immer noch im Programm haben die drei Wittmänner (Trewit) die Hobelbank, die schon der Urgroßvater erzeugte. Der Aha-Moment sei gewesen, als sie erkannte, dass man ein Unternehmen nicht unbedingt so weiterführen muss, wie es bisher war. „Man übernimmt ein Potenzial – Maschinen, Mitarbeiter, Know-how – aber wie man es gestaltet, obliegt einem selbst.“

Sie haben also aus China daheim angerufen und gesagt, Papa, ich komme wieder nach Hause?

Ja, so war das.

- Anzeige -

Wie haben Sie das Unternehmen neu positioniert und warum war das wichtig?

Mir war klar, ich kann den Betrieb nur übernehmen, wenn man die Werkstatt ins 21. Jahrhundert holt. In Zeiten des Fachkräftemangels kann man nicht bestehen, wenn man mit den alten Methoden weiterarbeitet. Also haben meine Brüder und ich ein Projekt daraus gemacht und nahmen uns vor, innerhalb von zwei, drei Jahren den Betrieb so umzukrempeln, dass er zukunftsfit ist. Ein junger Mensch, der in einem handwerklichen Familienbetrieb anfängt, sieht sich nicht hinaus, weil er das Gefühl hat, von unsichtbarem Wissen umgeben zu sein, auf das er keinen Zugriff hat.

Das ist das große Thema. Daher ist es wichtig, dieses Wissen zugänglich zu machen. Das bedeutet digitalisieren und standardisieren. Früher wurde händisch gezeichnet, es gab einen Aufriss, dann hat man an der Maschine das Model produziert, das dann dupliziert wurde. Besondere Details waren nicht dokumentiert.

Und der neue Name, der neue Auftritt?

Wenn man in einem Land wie Österreich bei hohen Lohnkosten und mit regionalen Ressourcen produzieren will, dann muss das Design die Wertig- Max und Sophie Wittmann leiten seit 2020 das traditionsreiche Familienunternehmen Trewit. 41 2 – 2 0 2 4 ZU GAST B E I keit dieser Wertschöpfung widerspiegeln und sogar hervorheben. Das Gleiche gilt für die Corporate Identity.

Die Namensgleichheit mit den Wittmann Möbelwerkstätten in Etsdorf am Kamp war in unserem kleinen Land mit so wenigen Produzenten von Sitzmöbeln problematisch. Da musste man immer erklären, die machen mehr Polster und wir etwas mehr Holz. Das funktioniert nicht. Mein Vater und mein Onkel haben mich werkeln lassen. Die sind Pragmatiker. Denen war das relativ egal, sogar die Namensänderung.

Wie wirkte sich die Neuaufstellung betriebsintern aus?

Sowohl durch die Neuerungen in der Werkstatt als auch das Branding und die neuen Designs können wir uns bei Arbeitnehmer:innen besser positionieren. Für Junge ist es attraktiver, Teil eines spannenden Projekts zu sein. Daher ist es wichtig, immer zu kommunizieren, in welch tollen Gebäuden unsere Möbel zum Einsatz kommen. Man darf nicht unterschätzen, was das ausmacht!

Das heißt, es geht auch darum, den Stellenwert der handwerklichen Lehre zu erhöhen?

Ja, das ist wichtig. Man muss Lehrlinge häufig psychologisch erst einmal aufbauen. Denen sind oft alle Flügerl gestutzt, sie trauen sich nichts zu. Man müsste ihnen im letzten Schuljahr vermitteln, dass sie etwas schaffen können und etwas wert sind.

Mit coolen Produkten, die Designpreise gewinnen, können Ihnen wieder Flügel wachsen?

Das reicht nicht. Wir müssen noch viel mehr daran arbeiten und die Bedürfnisse der Lehrlinge besser bedienen. Mein Bruder, der die HTL Hallstatt absolviert hat, betreut sie vor Prüfungen, aber es ist ohne pädagogische Ausbildung schwierig, die Prüfungsangst aus jemandem rauszubekommen. Mit der klassischen Lehrlingsausbildung gelingt das nicht. Aber es ist wichtig, dass alle jungen Menschen eine Chance bekomme und gut betreut sind. In großen Lehrwerkstätten in Industriebetrieben ist es leichter, weil man dort Teams zusammenstellen kann und Persönlichkeitsbildung gemacht wird.

Enkeltauglich, generationengerecht, und alter(n)sgerecht sind wichtige Begriffe im gesellschaftspolitischen Diskurs als auch im Wohn- und Städtebau. Was können Sie damit anfangen?

Nach den Erfahrungen in China, wo die Sachen für unsere Wegwerfgesellschaft produziert werden, ist mir das ein großes Anliegen. Unser Betrieb wuchs in der Nachkriegszeit, wo nichts da war und immer geachtet wurde, nichts zu verschwenden. Das wird weiterhin so gelebt, das steckt ganz tief in der DNA des Betriebs.

Ist man in Familienbetrieben generell sparsamer?

Ich denke schon. In größeres Betreiben gibt es für alles Budgets und man schöpft sie aus, auch wenn es nicht notwendig wäre. In einem Familienbetrieb schaut man, dass man die beste Variante umsetzt, was nicht unbedingt die billigste sein muss, sondern die schlauste, aus der man womöglich noch einen weiteren Nutzen hat. Wir verwenden zum Auskleiden der Lkw und als Ladegutsicherung Matratzen, die sicher älter als ich sind und haben so keinen Verpackungsmüll.

Ohne Verpackungsmüll bleibt aber der Lieferradius eingeschränkt.

Ich halte nicht für richtig, die Sachen über den halben Globus zu verschicken. Das kann ich mir nur in Ausnahmefällen, wie bei unserem neuen Orchesterstuhl, vorstellen.

Warum ist es für Trewit interessant, Möbel für ältere und pflegebedürftige Menschen zu produzieren?

Unsere Tischlerei arbeitet schon sehr lange mit sozialen Einrichtungen zusammen, wo sehr stabile Stühle gefragt sind. Eines meiner ersten Projekte war das Senior:innenwohnhaus Nonntal in Salzburg, wo ich mit dem Architekturbüro Gasparin Meier zusammenarbeiten durfte. Es gab eine sehr schöne Dynamik, weil allen wichtig war, dass mit hochwertigen Materialien gearbeitet wird. Wir haben bewusst mit geölten Oberflächen gearbeitet, die altern dürfen und eine Patina bekommen. Das hat mir einen guten Blick auf die Sparte gegeben. Möbel haben eine große Symbolik.

Ein Stuhl, der ausdrückt „Du bist jetzt pflegebedürftig, sonst würdest du mich gar nicht brauchen“ hat eine Auswirkung. Wir wollen Möbel bauen, die nicht stigmatisierend wirken. Es gibt hier ein Spannungsfeld zwischen diesem hohen Anspruch, dass die Möbel schön und wohnlich sein sollen, und eng gesetzten Kriterien, was sie alles aushalten müssen.

Cool und (nicht nur) für pflegebedürftige Personen: Formschön und funktional ist die neue Stuhlfamilie Nonni (Design: Lucy.D); seit Anbeginn im Sortiment ist die Hobelbank.

Im Vorjahr präsentierten sie die mit dem Designerinnenduo Lucy.D entwickelte Stuhlserie Nonni. Was ist das Besondere daran?

Es war wichtig, ein Möbel zu entwickeln, das bei marktüblichen Preisen ein gutes Werkzeug für das Pflegepersonal ist, für die Bewohner:innen angenehm zu sitzen ist und mit der Architektur ein abgerundetes Gesamtbild ergibt. Im Auswahlprozess überzeugte Lucy D. mit einem pragmatischen Zugang und einer weiblichen Perspektive, die den Menschen in den Mittelpunkt rückt. Es sind immer noch hauptsächlich Frauen, die die Pflegearbeit machen, auch innerfamiliär, ich hoffe, das ändert sich irgendwann.

Die Armlehnen bilden einen Bügel, der die sitzende Person umarmt. Diese umarmende Geste ist das Hauptelement. Es gibt einen Variantenkatalog, der Sessel ist leicht anpassbar, in Höhe, Sitzneigung und so weiter. Auch auf verschiedene Bedürfnisse eingehen zu können, ohne Sonderanfertigungen machen zu müssen, ist wichtig.

Können Sie unserer Leserschaft erklären, was ein „Foachtl“ ist?

Jemand, der den Foachtl hat, verbindet die Fähigkeit, eine Lösung zu finden, also das Geistige, mit der Fähigkeit, die Lösung auch handwerklich ausführen zu können. Das ist in unserer Region ein anerkennungsvoller Begriff für eine sehr hohe Form der Kompetenz.

Lesen Sie die nächsten Artikel dieser Ausgabe

Vorheriger Artikel
Nächster Artikel

Lesen Sie Artikel zum selben Thema