Zahlreiche Initiativen im Rahmen der IBA_Wien 2022 entwickeln Ideen, um Jugendliche und junge Menschen in die Stadtentwicklung einzubinden. Die wesentlichen Zugänge: Bildung und Sport.
MAIK NOVOTNY
Zwei am Boden festgeschraubte Sessel, Rücken an Rücken gestellt – Schock-Emoji! Eine Skulptur, auf deren Sinn man sich keinen Reim machen kann, die unregelmäßigen Öffnungszeiten der Stadtbibliothek – Wut- Emoji! Eine einladende Grasfläche, die aber als inoffizielle Hundewiese benutzt wird – Trümmerl-Emoji! Aber auch: Die Wichtigkeit einer Sendebox fürs öffentliche WLAN, der beliebte Treffpunkt namens „Bluthügel“, von dem niemand mehr weiß, warum er so heißt. Heiterkeit im Publikum, aber auch ein großes „Aha.“
Die zwei Jugendlichen Tom und Sam, Besucher des Jugendzentrums Marco Polo in Floridsdorf, waren eingeladen worden, den öffentlichen Raum in ihrem vertrauten Umfeld fotografisch zu dokumentieren und zu kommentieren. Anschließend präsentierten sie ihre Eindrücke im Rahmen der Fotoausstellung „Junge Stadt“ im Diskussionsformat „drIBA Reden“ der IBA_Wien 2022 Neues Soziales Wohnen. Die wichtigste Erkenntnis: Jugendliche nehmen die Stadt auf eigene Weise wahr und benutzen sie anders als Erwachsene und Kinder. Sie brauchen keine maßgeschneiderten Spielplätze, sie brauchen Räume, in denen sie ungestört sind.
Ungestörte Räume
Dies ist gerade in Stadtentwicklungsgebieten von Bedeutung, die meist so fugenlos durchgeplant sind, dass keine dieser speziellen Freiräume mehr übrigbleiben. „In der Anfangszeit der Seestadt Aspern war die Nordseite des Sees ein solcher beliebter Treffpunkt, an dem die Jugendlichen ihre Ruhe hatten. Jetzt wird der Ort von der Bautätigkeit eingeholt“, so IBA-Koordinator Kurt Hofstetter. Also gilt es, neue Orte zu suchen. Einer davon ist der Skaterpark unter der Hochtrasse der U2, allerdings wird dieser eher von Jüngeren mit ihren Rollern angenommen, da die Skater größere Herausforderungen suchen. Ansätze, Jugendliche an der Planung zu beteiligen, gibt es immer wieder, doch, so Hofstetter, oft dauern diese Prozesse zu lange, denn wenn man 14 oder 17 ist, muss es schnell gehen, sonst ist die Lebensphase schon wieder vorbei.
Doch es gibt durchaus erfolgreiche Programme für Jugendliche und junge Menschen im Rahmen des IBA-Programms. Ein Beispiel ist das projektierte Bildungsgrätzl in der Per-Albin-Hansson- Siedlung, das Bezug auf den im Rahmen der IBA ermittelten Bedarf vor Ort nimmt. Unter dem offiziellen Titel „Innovationslabor für Bildungsräume in Bewegung – BiB-Lab“ wird das FFG-Projekt des „Arbeitsraum Bildung“ an der TU Wien unter Leitung von Karin Harather ab September 2021 gestartet, um mit unterschiedlichen Bildungsraum- Settings und Zielsetzungen vor Ort zu arbeiten: Ein mobiles Bus-Labor wird vor Ort sichtbar geparkt und dient als informative Anlaufstelle. Ein Raumgestaltungs- Labor wird an den Schulen in der Siedlung aktiv sein, und der Bildungsraum „EG-Lokal“ will bestehende Bildungs- und Freizeitangebote im Stadtteil vernetzen.
Langfristige Prozesse
Ebenfalls in der Per-Albin-Hansson-Siedlung war das von Karin Harather gemeinsam mit der TU Wien und Kör Wien (Kunst im Öffentlichen Raum) entwickelte mobile Projekt „Ich brauche Platz!“ zu Gast. Hier lag der Schwerpunkt auf Kreativwerkstätten mit Mädchen aus dem Grätzl und Kunst- und Architekturschaffenden, und klangvollen Formaten wie „Grätzlreisen“, „Kreativwerkstatt“, „Körperinszenierung“, „Quatschbude“, „Soundtown“, „Action Place“ und „Open House“.
Das Ziel: Jugendliche direkt vor Ort zu erreichen und langfristige Prozesse der Raumwahrnehmung und Raumaneignung in Gang zu setzen, um neue Denk- und Handlungsräume zu eröffnen. Auch in den IBA-Quartieren Neu-Leopoldau und Berresgasse war das Projekt für jeweils zwei Monate stationiert, für 2021 ist ein vierter Standort in Planung…