Der Weg ist das Ziel

Beim 70. Wohnsymposium ging es um Mobilität und Transport in der Stadt. Die Klimakrise zwingt zum Umdenken, noch geht es nicht ohne den privaten Autoverkehr, doch auch Liefer- und Transportwege müssen neu gedacht werden. Was bedeutet das für den Wohnbau? Fazit: Der Weg ist das Ziel – multimodal und klimafreundlich.
GISELA GARY

Wo besser als in der Seestadt Aspern kann man sich mit dem Thema Mobilität auseinandersetzen? Ein bis auf den letzten Platz gefülltes Wohnsymposium im Dormero, dem Hotel im HoHo, verführte die Teilnehmer im 15. Stockwerk immer wieder dazu, ihren Blick schweifen zu lassen – über die wachsende Seestadt, den im Bau befindlichen Stadtteil im Norden „Am Seebogen“ und über die aktuell hitzig diskutierte Stadtstraße.

- Anzeige -

Die Seestadt Aspern ist nicht autofrei, war auch nicht so geplant, aber nahezu – denn die Wege sind jeweils kurz, gut überlegt und problemlos mit dem Fahrrad oder zu Fuß zu bewältigen. Doch wie geht es? Wie steht es um seit Jahrzehnten bestehende Stadtteile und welche Herausforderungen warten diesbezüglich auf die Bauträger? Was haben diese von der Stadtplanung zu erwarten, und wie kann die Bevölkerung zu einem neuen Mobilitätsverhalten motiviert werden? Die Seestadt Aspern zeigt es vor, wie es gehen kann.

Als exklusives Vorprogramm für die Teilnehmer des Wohnsymposiums führten Gerhard Schuster, Wien 3420 aspern Development AG, und Kurt Hofstetter, Koordinator der IBA_Wien 2022, durch das IBA-Quartier „Am Seebogen“. Im Norden der Seestadt entstehen aktuell auf 15 Bauplätzen rund 1.250 Wohnungen unter dem Motto „Wohnen und Arbeiten“, der Campus der Religionen und reichlich öffentlicher Raum zur kostenfreien Nutzung.

Der Liselotte-Hansen-Schmidt-Bildungscampus inklusive Jugendzentrum wurde soeben eröffnet. Das Highlight des Rundgangs war die sogenannte „Kulturgarage“. Der Name Kulturgarage verrät die Multifunktion des Gebäudes. Parken ist nur eine der Eigenschaften, wie der Bauherr Christoph Schäffer, Geschäftsführer WBV-GFW, erläuterte – und gestand aber zugleich den nicht einfachen Weg bis zur Realisierung: „Aber das Ergebnis ist ein großartiges Projekt, das wirklich Spaß gemacht hat, aber alle Beteiligten extrem forderte.“

- Anzeige -

Herbert Schweiger, Geschäftsführer der Wiener Volkshochschulen, lacht verschmitzt dazu. Er verantwortet den Betrieb und ist begeistert von den multifunktionalen Veranstaltungssälen: „Wo gibt es so eine Eventlocation? Wir haben die neueste Technik hier, eine LED-Wand, ein ausgezeichnetes Akustikkonzept und können nun Bälle, Partys, Konzerte oder ebenso Lesungen und kleinere Veranstaltungen wie Ausstellungen etc machen. Kultur zu vermitteln ist unser Auftrag und das Gemeinsame steht dabei an oberster Stelle.“

Clemens Kopetzky, artphalanx, verantwortet das Branding und die Vermarktung – dazu zählt die bespielte Fassade, welche die Architekten fasch&fuchs unter das Motto der Fassadenfarben der Häuser im 6. und 7. Bezirk stellten. Das Fassadenkonzept wurde von den Künstlern Hanna Schimek und Gustav Deutsch erarbeitet.

Die Kulturgarage bietet in den Obergeschoßen Stellplätze für 537 Autos, Infrastruktur für E-Mobilität und einen Fahrradverleih. Mit der Kulturgarage wurde ein Ort geschaffen, der sich als eine kreative Produktionsstätte im Quartier versteht und eine neue Landmark unter dem Motto „Mobilität anders“ der Seestadt darstellt. Im Zentrum stehen nicht mehr die Autos, sondern das kulturelle und gesellschaftliche Miteinander, eingebettet im Quartier, zugänglich für alle.

Seestadt-Aspern-„Hausherr“ Alexander Kopecek, Vorstand der Wien 3420 aspern Development AG, eröffnete das Wohnsymposium nicht ohne Stolz: „The future is public – ein Slogan, den ich von der Biennale mitgebracht habe, und der trifft es genau. Wir haben bereits vor zehn Jahren einen Mobilitätsfonds gegründet, mit dem wir innovative Projekte unterstützen. Ich bin davon überzeugt, mehr öffentlich als privat ist das Erfolgskonzept der Zukunft, das wir auch hier in der Seestadt realisieren. Die knifflige Frage ist jedoch, wie können wir die Menschen zu einem anderen Mobilitätsverhalten motivieren?“

Multifunktionalität ist gefragt

Verkehrsplaner Harald Frey, Institut für Verkehrswissenschaften TU Wien, brachte es auf den Punkt mit einem Blick in die Zukunft: „Der Klimawandel ist ein wichtiger Treiber in der Mobilitätsdebatte. Doch der Knackpunkt ist die Erreichbarkeit. Es geht nicht um die Verkehrsmittel an sich, sondern darum, was/ wo/wen erreichen die Menschen in 15 Minuten.“ Als Stadt der kurzen Wege gilt die Seestadt ebenso wie z. B. Paris. Doch Frey sieht die Multifunktionalität als wichtigen Aspekt. Für ihn als Verkehrsplaner gibt es kein Weiß oder Schwarz:

„Das Wohnungsumfeld ist entscheidend für das Mobilitätsverhalten. Es geht um Zeit, denn die bestimmt die Verkehrsmittelwahl.“ Dabei steht der Mensch im Zentrum und da muss auch die Verkehrsplanung umdenken, die bis dato an den Autos orientiert plante, so Frey. Die Flächen müssen effizient genützt werden stehende Autos vergeuden wertvollen öffentlichen Raum. „Und wie beim Impfen braucht es niederschwellige Angebote, damit wir die Menschen erreichen und diese auf ihr Auto verzichten“, so Frey…

Lesen Sie die nächsten Artikel dieser Ausgabe

Lesen Sie Artikel zum selben Thema