Der Kontinent als Patient

Der Dachverband Housing EU präsentierte seinen Zweijahres- bericht zum europäischen Wohnbau. Ergebnis: Österreich darf sich trotz Wohnungskrise noch als Musterknabe fühlen.
MAIK NOVOTNY

Ob Berlin, London oder Barcelona: Die Wohnungskrise hat Europa im Griff. Das ist nichts Neues, dennoch stellt sich die Frage nach der genauen Diagnose des Patienten. Dies leistet der am 1. Oktober in Brüssel veröffentlichte Bericht „The State of Housing in the EU 2019“ von Housing Europe, dem Dachverband der gemeinnützigen Bauträger in 22 Staaten (EU sowie Norwegen und Armenien).

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Es ist der dritte Bericht nach 2015 und 2017 und das Ergebnis von gut einem Dreivierteljahr genauer Recherche. Kernthema des Berichts ist die Wohnungskrise, die sich – so Gerlinde Gutheil-Knopp-Kirchwald und Gerald Kössl vom Wohnwirtschaftlichen Referat der GBV bei der Vorstellung des Berichts in Wien – schon seit Jahrzehnten durch den Verkauf sozialer Wohnbauten und den Mangel an Investitionen angedeutet hat.

Indiz dafür ist die Wohnkosten-Überbelastung, das heißt, wenn mehr als 40 Prozent des Einkommens für Wohnkosten verwendet werden. In der EU sind zehn Prozent der Haushalte überbelastet, in Österreich sieben Prozent. Vor allem ärmere und jüngere Bewohner sind betroffen. Diese Last ist jedoch nicht gleichmäßig auf die Wohnformen verteilt, denn sie trifft vor allem private Mieter, von diesen sind im EU-Durchschnitt 26 Prozent überbelastet.

Höhere Mietquote

Bei den Fördersystemen ist eine Verlagerung von der Subjekt- zur Objektförderung zu verzeichnen: War es 2009 noch jeweils in etwa der gleiche Anteil, betrug der Anteil der Subjektförderung im Jahr 2017 schon 73 Prozent. Auch bei der Verteilung von Miete und Eigentum gibt es deutliche Unterschiede, wie GBV-Obmann Bernd Rießland erklärt: „Je ärmer das Land, desto höher ist der Anteil des Eigentums. Die Länder mit dem höchsten Mietanteil dagegen sind die Schweiz und Deutschland.“ Länder mit höherer Mietquote erwiesen sich nach der Finanzkrise als überlebensfähiger, weil dort die Gefahr der Privatverschuldung geringer war.

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Eine besondere Rolle kommt hier den Städten zu. Diese sind von der Wohnungskrise am stärksten betroffen, aber bei der Bekämpfung auch am innovativsten. Zahlreiche Metropolen von Amsterdam bis Barcelona haben Strategien für die Eindämmung von Anbietern wie AirBnB entwickelt, die den Wohnraum für touristische Zwecke nutzen. Hinzu kommen Mietpreisregulierungen wie in Dublin, die Sozialgerechte Bodennutzung (SoBoN) in München, oder die 2018 eingeführte Widmungskategorie „geförderter Wohnbau“ in Wien.

Noch wenig Gras gewachsen ist gegen die schwindende Rechenschaft auf Eigentümerseite: Diese sind heute immer öfter anonyme Konstrukte, ohne Ansprechpartner für Mieter…

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