Das Comeback der Partizipation

Trotz langer Tradition war es in der Steiermark rund um den partizipativen Wohnbau zwei Jahrzehnte ruhig. Mit der soeben fertigstellten neuen Siedlung KooWo erlebt die eigenständige Typologie im sozialen Wohnbau eine Neuauflage.
MARIETTA ADENBERGER

Familien, Paare und Singles feierten kürzlich ihren Einzug in die partizipativ geplante und gebaute Siedlung KooWo im steirischen Volkersdorf. Mit diesem Wohnprojekt wurde eine „alte“ Idee wieder aufgegriffen, die in der Steiermark Tradition hatte. Mit einer reformwilligen Landespolitik, visionären Architekten und Bauherren entstand in den frühen 1970ern das „Modell Steiermark“ und entfaltete sich bis Mitte der 1990er als Alternative zum konventionellen Massenwohnbau. Künftige Bewohner planten Wohngebäude aktiv mit und durften mitbestimmen.

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In den vergangenen 20 Jahren war es jedoch in puncto solidarischer Planung und Beteiligung von zukünftigen Bewohnern ruhig. Erst 2015 wurde das Modell wieder aufgegriffen – mit dem revitalisierten Bauernhof und drei Neubauten in Volkersdorf – der Siedlung KooWo (Kooperatives Wohnen). Genau rechtzeitig zur Eröffnung von KooWo erschien das Buch „Experiment Wohnbau“ von Andrea Jany. Das Thema ist die partizipative Architektur und die eigenständige Typologie im steirischen sozialen Wohnbau – historisch und gesellschaftlich gesehen.

Ein Vorläufer, dem die Autorin viele Seiten widmet, ist die Terrassensiedlung Graz-St. Peter. Der in den 1970ern fertig gestellte, von den Architekten der Werkgruppe Graz geplante, verschachtelte Betonbau mit über 500 Wohnungen, Gemeinschaftsflächen und Kindergarten zählt bis heute zu den drei Wohnanlagen in Graz mit der höchsten Wohnzufriedenheit.

Mitbestimmung und Zufriedenheit

Andrea Jany stellt 28 Wohnbauprojekte des „Modell Steiermark“ vor. Unter anderem die Anfang der 1980er entstandene Papageiensiedlung im südoststeirischen Markt Hartmannsdorf. Die Wohnungswerber bestimmten damals das Siegerprojekt, nachdem eine Fachjury eine Vorauswahl getroffen hatte. In anderen Wohnbauten gestalteten die Bewohner Grundrisse mit, erweiterten Balkonbereiche selbst oder übernehmen heute noch jährlich anfallende Arbeiten und Sanierungen.

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Nicht alles klappte reibungslos: In der Rettenbachsiedlung Graz etwa organisierten sich die Bewohner eine Zeit lang als Verein selbst, was aber wieder aufgegeben wurde. Für die Architekten bedeutete die Interaktion einen höheren Aufwand und mitunter zeitliche Engpässe. Spezielle Detaillösungen bedingten bei manchen Projekten bauphysikalische Mängel. Wohnbauforscherin Jany bewertete bereits im Rahmen ihrer Dissertation auch die Wohnzufriedenheit aus Sicht der heutigen Bewohner in mehreren Projekten, darunter auch die Terrassensiedlung.

Das spannt den Bogen von den Vorhaben der damaligen Planer bis in die Gegenwart: Die heutigen Nutzer sind immer noch zufriedener als die Befragten konventioneller Bauten…

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