Klimaschutz durch mehr Grün

Strategien zur Vermeidung städtischer Hitzeinseln, Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel und zur Steigerung des Wohlbefindens, sind wesentliche Faktoren der Stadtentwicklung. Von der strategischen Ebene zur konkreten Umsetzung ist es jedoch ein steiniger Weg.
FRANZISKA LEEB

Die Europäische Union will 2050 klimaneutral sein – Österreich bereits 2040. Noch ist man weit davon entfernt. „Wir sind noch nicht auf dem Zielpfad. In allen Sektoren sind massive Anstrengungen notwendig“, betont Jürgen Schneider, Leiter der Sektion „Klima- und Umweltschutz“ im zuständigen Bundesministerium. Selbst durch einen vollständigen Stopp der Treibhausgasemissionen, ist eine weitere Temperaturerhöhung unvermeidbar, belegen mehrere Studien.

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Vom Leitbild zur Umsetzung

Den Vorstellungen einer grünen, kühlen Stadt entspricht die von Harry Glück initiierte Biotope City Wienerberg ziemlich exakt (siehe WohnenPlus 2/2017). Das von der Stadtplanerin Helga Fassbinder erstmals 2002 vorgestellte Projektleitbild zielt darauf ab, mit umfassender Begrünung die Lebensqualität und Resilienz gegen Wetterextreme in Städten zu erhöhen.

Aus diesem Leitbild entstand 2014/15 in einem interdisziplinären kooperativen Projektentwicklungsverfahren ein Masterplan mit Qualitätenkatalog. Seine Inhalte reichen von sozialen, stadtplanerischen und architektonischen Grundsätzen über Qualitäten der Begrünung bis hin zur Mobilität und einem Energiekonzept.

„Es ist spannend zu beobachten, wieviel sich von der strategischen Ebene nach und nach in der Umsetzung zeigt“, sagt Florian Reinwald vom Institut für Landschaftsplanung an der Universität für Bodenkultur, das die Entwicklung und Umsetzung der Biotope City Wienerberg mit den vom Bund und den Bauträgern finanzierten Forschungsprojekten „Biotope City is smart“ und „Bauanleitung für die grüne Stadt der Zukunft“ (erscheint im Herbst 2020) begleitete. Beide identifizieren Hemmnisse, die dem Leitbild im Weg stehen und liefern Vorschläge für deren strukturelle Beseitigung.

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Ganz wesentlich ist Kommunikation und bauplatzübergreifende Abstimmung. Es sei herausfordernd, eine Gangart dafür zu finden und sich zum Beispiel in Wartungs- und Haftungsfragen zu einigen, wenn die Kletterhilfe auf dem Grundstück des Bauträgers, die Pflanze selbst aber auf öffentlichem Grund steht.

Grünthemen gewinnen an Fahrt und es sei eine Grundsensibilisierung in der Bevölkerung vorhanden, so Reinwald. Es sei erfreulich, dass in Wien niemand mehr Straßenzüge plant, ohne die Bäume mitzudenken. „Nachholbedarf gibt es bei der Einforderung der Qualität der grünen Infrastruktur“, sieht der Boku-Forscher noch Luft nach oben.

Und es hapere bei der Pflegekompetenz. „Man muss Flächen multifunktional betrachten, sich mit Ökosystemen auskennen und darf die Menschen nicht ausschließen“, betont Teresa Wolf von Auböck + Kárász, die den Freiraum-Masterplan erstellten.

Wassermanagement ist wichtig

Rüdiger Lainer ist zuversichtlich, dass die angepeilten Ziele erreicht werden: „Wenn wir schon so große Elefanten in den Hang stellen, ist es wichtig, dass sich ein sinnlicher Park ausbreitet.“ Sein Büro war maßgeblich am Masterplan beteiligt und zeichnet neben dem Gewerbekomplex „The Brick“ auch für Wohnbauten der Gesiba und des ÖSW verantwortlich.

Die Balkontröge sind teils bei Einzug bereits standortgerecht bepflanzt, Wasserventile auf dem Balkon erleichtern das Gießen, eine Broschüre gibt Pflegetipps und auch das Team des Quartiersmanagements wird bei der Aneignung der vielfältigen Freiflächen unterstützen. Klar, es wird Jahre dauern, bis sich das Grün weithin sichtbar ausgebreitet hat.

Für einen Zeitraffer-Effekt sorgen 30 Großbäume, zu denen sich noch weitere zehn aus dem „For Forest“-Kunstprojekt im Klagenfurter Stadion gesellen. Wesentlich für ihr Gedeihen ist das ausgetüftelte Regenwassermanagement. Alle Flächen werden in die Grünzonen entwässert, um nach dem Prinzip der Schwammstadt das Wasser zu speichern. Der Retentionsteich am Übergang zum Landschaftsschutzgebiet speist sogar den nahen Wienerbergteich.

Wasser auf dem Dach gibt es in Form eines Schwimmbades in bewährter Glück’scher Tradition auf dem Wohnhaus der Wien-Süd, das noch vom Initiator der grünen Siedlung konzipiert wurde (Detailplanung HD Architekten). Zur Wohnqualität tragen nicht nur die eigenen vier Wände, sondern auch die gemeinschaftlichen Räume und vor allem die weitläufigen grünen Zonen bei.

Echt kooperativer Prozess

Erst wenige Häuser sind bezogen, zum Beispiel jene des Projekts Amelie (Architektur: BKK-3) der Buwog. „Das innovative Stadtentwicklungsgebiet bietet den Rahmen für umweltbewusstes Leben und nachhaltiges Wohnen – Aspekte, die in der Wahrnehmung unserer Kunden zunehmend an Bedeutung gewinnen“, so Buwog-Geschäftsführer Andreas Holler, der ob der großen Nachfrage in Zukunft vermehrt ökologische Wohnprojekte realisieren möchte.

Um ganze Stadtteile ökologisch zu planen, braucht es neue Formen der Zusammenarbeit. „Wir sind gern bei Gemeinschaftsprojekten dabei“, betont ÖSW-Chef Michael Pech…

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