Digital arbeiten: Entfremdung von der Arbeit als Herausforderung und Chance – auch im Homeoffice

Prof. Dr. Friedericke Hardering vom Fachbereich Sozialwesen der FH Münster forscht in einem Kooperationsprojekt zur digitalen Entfremdung und Aneignung von Arbeit. Welche Zwischenergebnisse es gibt, erklärt sie im Interview.

Frau Hardering, Entfremdung und Aneignung von Arbeit – das heißt, digitale Arbeit kann beide Seiten haben?

Im dem Projekt geht es ja um die Frage, inwieweit sich die Arbeitserfahrung von Beschäftigten durch digitale Arbeit überhaupt verändert; dazu haben wir Interviews geführt. Und sie zeigen, dass bestimmte Strukturen der Arbeit entfremdend wirken können: beispielsweise wenn der größere Nutzen der Arbeit unklar ist oder Technologien nicht nachvollziehbar für Beschäftigte sind. Gleichzeitig sehen wir, dass Beschäftigte versuchen, sich ihre Arbeit individuell anzueignen, heißt das Beste für sich daraus zu machen.

Prof. Dr. Friedericke Hardering
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Ist dies nicht von Branche zu Branche unterschiedlich?

Ja. In unserem Forschungsprojekt konzentrieren wir uns auf die digitale Dienstleistungsarbeit. Da sind einerseits Beschäftigte in tradierten Berufen, in denen neue Technologien die Arbeit verändern – wie beispielsweise Verkäufer*innen im Einzelhandel oder Beschäftigte in der Versicherungsbranche.

Andererseits haben wir digitale Berufe der New Economy, die durch einen unmittelbaren Technologiebezug charakterisiert sind – wie etwa in den Bereichen Programmierung und Suchmaschinenoptimierung. Wir haben ausführliche Interviews geführt, um zu erfahren, wie Beschäftigte Sinn in der Arbeit selbst konstruieren oder Entfremdung wahrnehmen.

Prof. Dr. Friedericke Hardering

Gibt es erste Zwischenergebnisse?

Ja, und zwar bei den digitalen Berufen der New Economy. Hier haben wir 45 Interviews mit Beschäftigten in Deutschland und der Schweiz geführt, davon 17 mit hochqualifizierten Programmiererinnen, 15 qualifizierten Suchmaschinenoptimierinnen und 13 geringqualifizierten Content-Moderatorinnen. In allen drei Gruppen lassen sich sowohl Entfremdungserfahrungen als auch Momente des Sinnerlebens in der Arbeit beobachten.

Viele Beschäftigte leiden unter der Einschränkung ihrer Autonomie, und besonders Geringqualifizierte leiden zudem unter der Überwachung ihrer Arbeit. Hochqualifizierte Arbeitnehmerinnen erleben ebenfalls eine Entfremdung von der Arbeit. Bei ihnen liegt diese vor allem darin, dass sie von ihren Kernaufgaben abgelenkt werden und teilweise keinen Bezug zu ihrem Arbeitsprodukt haben, sondern Effizienzgewinne für ihre Kundinnen und Kunden realisieren müssen.

Sowohl Formen wie auch das Ausmaß der Entfremdung unterscheiden sich in den drei Gruppen. Zudem sehen wir: Erfahrungen von Sinnerleben und Entfremdung schließen sich nicht gegenseitig aus – trotz entfremdender Arbeit können Beschäftigte einzelne Aspekte ihrer Arbeit als sinnvoll empfinden. Dies zeigt sich selbst in geringqualifizierter Arbeit.

Prof. Dr. Friedericke Hardering
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Wovon hängt das genau ab?

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