Forderungen „aussitzen“: Schon von Gesetzes wegen ein teures Vergnügen – Kleinstforderungen vervielfachen sich schnell

Inkasso wird in der heutigen Zeit oft an den Pranger gestellt. Mit Inkasso wird ein Milliardengeschäft verbunden. Berichte über schwammige Gesetze, mangelnde Aufsicht und überhöhte Gebühren machen die Runde. Ja, es ist gar die Rede davon, dass „Inkasso“ dafür verantwortlich ist, dass Schuldner nicht von ihren Schulden herunterkommen. Schnell sind Beispiele zur Hand, in denen Forderungen von 40,00 EUR durch Inkasso auf rund 700,00 EUR ansteigen. Das Ergebnis der so aufgemachten „Rechnung“ ist ganz einfach: Inkasso ist an allem schuld. „‘Schuldige‘ und ‚einfache Rechnungen‘ sind heute gern genommen – es ist am Ende aber etwas ‚zu kurz gesprungen‘“, erklärt Bernd Drumann, Geschäftsführer der Bremer Inkasso GmbH. „Leider versuchen manche Schuldner, die Forderung einfach auszusitzen, verursachen dadurch Aufwand und Kosten, und wundern sich später über die hohe Gesamtforderung.

Das ist mit jemandem zu vergleichen, der immer wieder den Warnhinweis im Display seines Wagens ignoriert, dass er in die Werkstatt muss, weil etwas nicht in Ordnung ist, und der meint, das wird schon nicht so schlimm sein. Und der sich dann aber irgendwann vom Mechaniker anhören muss, dass der Schaden, wäre er gleich in die Werkstatt gekommen, leicht und günstig zu beheben gewesen wäre, sich nun aber, durch das ‚Aussitzen‘, massiv vergrößert hat und somit eine Reparatur sehr umfangreich und enorm teuer wird. Das ist dann nicht die Schuld des Autos, der Werkstatt oder gar des Mechanikers – das hat sich der Autofahrer ganz alleine zuzuschreiben.“

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Durch die Einschaltung eines Anwalts entstehen Kosten, wie bei jeder Dienstleistung. Die Kosten steigen mit jeder Maßnahme, die der Anwalt zur Realisierung der Forderung zusätzlich ergreifen muss, je länger der Schuldner eine Forderung aussitzt. Diese anfallenden Kosten gelten gleichermaßen auch für die Beauftragung eines Inkassobüros. Auftraggeber der Inkassounternehmen dürfen nämlich nach bereits geltendem Recht vom Schuldner nur solche Kosten erstattet verlangen, die auch bei Einschaltung eines Rechtsanwalts entstanden wären. Die Grundlage der Gebührenberechnung ist hier der Gegenstandswert der Forderung. Der niedrigste, gesetzlich festgelegte Gegenstandswert ist ‚bis 500 EUR‘. Für eine Kleinstforderung von 40 EUR fallen also die gleichen Gebühren an wie für eine Forderung in Höhe von 499 EUR. Nachfolgend erläutert Bernd Drumann einige Maßnahmen sowie die dafür vom Gesetzgeber vorgesehenen Gebühren/Pauschalen.

Beispiel 40 Euro Hauptforderung:
Welche Anwaltsgebühren entstehen hier in der Regel?

„Rechtsanwälte rechnen meist nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) ab. Dort sind u. a. die unterschiedlichen abrechenbaren Gebühren sowie deren Höhe tabellarisch aufgelistet zu finden. Die Höhe der jeweiligen Gebühren richtet sich zumeist nach dem Gegenstandswert einer Forderung bzw. nach dem Streitwert. Bei dem Einzug einer Forderung kommen zu den 40,00 Euro Hauptforderung in der Regel eine sogenannte 1,3 Geschäftsgebühr, 20% (von dieser Gebühr, max. 20,00 Euro) Auslagenpauschale sowie die Mehrwertsteuer (MwSt) auf den Gesamtbetrag hinzu (die MwSt jedoch nur dann, wenn der Auftraggeber nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt ist). Das heißt in Zahlen: Bei einer Forderung von ‚bis 500 Euro‘ (niedrigster gesetzlich festgelegter Gegenstandswert) kommen 58,50 Euro (1,3 Geschäftsgebühr) sowie 11,70 Euro (20% von 58,50 Euro) Auslagenpauschale = 70,20 Euro zzgl 19% MwSt (13,33 Euro), also 83,53 Euro Gesamtkosten auf den Schuldner zu. Diese Kosten hat er grundsätzlich zu erstatten. An den Anwalt muss der Schuldner daher 123,53 EUR (Kosten und Hauptforderung) zahlen.

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Nach Zahlung von Kosten und Hauptforderung: Fall für Schuldner erledigt?

„Ja, in der Regel ist der Fall erledigt, wenn die Zahlung der vom Anwalt angeforderten Summe fristgerecht geleistet wurde. Mit der sofortigen Zahlung des geforderten Betrages oder einer unverzüglich mit dem Rechtsanwalt getroffenen Zahlungsvereinbarung ist der Schuldner gut beraten. Ein mitunter sehr teures gerichtliches Mahn- und Vollstreckungsverfahren hat er sich so erspart.“

Schuldner knapp bei Kasse. Rückzahlung in Raten möglich?

„Ja! Eine Ratenzahlungsvereinbarung (auch über einen kleineren Betrag) ist möglich und allemal besser, als zu versuchen, die Sache „auszusitzen“. Allerdings rechnet ein Rechtsanwalt gemäß RVG für eine Zahlungsvereinbarung eine zusätzliche Gebühr ab. Ihm steht eine 1,5 Einigungsgebühr, 20 % von dieser Gebühr (max. 20,00 Euro) als Auslagenpauschale sowie die Mehrwertsteuer (s.o.) zu. Als Auslagenpauschale dürfen jetzt aber nur noch die restlichen 8,30 EUR angesetzt werden, die von den max. 20 EUR nach Abzug der bereits in der Berechnung der Gesamtkosten (ohne Zahlungsvereinbarung) geforderten 11,70 EUR (s.o.) übrig sind. Abzurechnen sind daher 67,50 EUR (1,5 Einigungsgebühr) sowie 8,30 EUR = 75,80 EUR zzgl. 19 % MwSt (14,40 Euro) = Gesamtkosten 90,20 EUR. Der Schuldner hat jetzt die 40,00 EUR Hauptforderung, die 83,53 EUR Gesamtkosten (vor Zahlungsvereinbarung) und die 90,20 EUR Gesamtkosten für die Zahlungsvereinbarung, also 213,73 EUR zu zahlen.

Warum muss eine solche Vereinbarung überhaupt Geld kosten?

„Jedes Verfahren, das nicht vor Gericht landet, belohnt der Gesetzgeber. Jede außergerichtliche Erledigung entlastet die Justiz. Der Gesetzgeber hat es daher ausdrücklich geregelt, dass der Anwalt für seine Bemühungen um die außergerichtliche Erledigung als Anreiz eine zusätzliche Gebühr erhält.

Die Vereinbarungen selbst dürften in der Regel auch bei einem Anwalt schon so vorbereitet sein, dass deren Erstellung keinen größeren Aufwand darstellt. Allerdings ist der Anwalt naturgemäß gehalten, auch zu überwachen, ob die Raten tatsächlich vereinbarungsgemäß gezahlt werden…

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